Das Nachkriegspolen zu Beginn der kommunistischen Ära. Das Land wird aus den Trümmern wiederaufgebaut. Die neuen Machthaber führen eine von außen aufgezwungene Lebenswirklichkeit ein. Leopold Tyrmand stellt fest: „Stalins Lächeln hat Polen erreicht“. Aber gleichzeitig kommt von der anderen Seite des Ozeans eine laute und nicht ganz verständliche Musik, die von Improvisation geprägt ist. In kürzester Zeit verwandelt sich die Faszination für den amerikanischen Jazz in eine kulturelle Bewegung, für die die neue Musik zum Synonym für Freiheit, Demokratie und Unabhängigkeit wird.
In Polen findet die Musik der Freiheit einen fruchtbaren Boden, sie vereint und zieht starke Individuen an. Leopold Tyrmand, ein hervorragender Schriftsteller, wurde einer ihrer größten Multiplikatoren. Er beschrieb den Jazz in Essays, in Zeitungen und bei Vorträgen vor Konzerten. Dank ihm überlebte diese Musik die ständigen Versuche, sie aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Er zitierte Louis Armstrongs Worte: „Bruder, du wirst nie herausfinden, was es eigentlich ist...“
Das Programm des Konzerts mit Jazz-Standards, dargeboten von Aga Zaryan und dem European Jazz Quartet, lässt uns den Gedanken von Leopold Tyrmand wieder aufleben: „Es muss etwas in diesem Blues sein, das nicht vergeht, das ihn zur Grundlage einer künstlerischen Tätigkeit macht, die seit einem halben Jahrhundert nicht erloschen ist und immer noch andauert, das ihn zu einer Art Motto der Epoche macht, dieses etwas, was für New Orleanser Straßenmädchen der 1910er und die Pariser Medizinstudentin der 1950er Jahre gleichermaßen Bestand hat. (...) Der Kreis schließt sich unbarmherzig: das ganze halbe Jahrhundert der Freuden und Sorgen ist fest in den klassischen Melodien enthalten, in jenen alten Melodien, die die magische Kraft der ewigen Nützlichkeit haben. Sie hören nicht auf, zeitgenössisch zu sein, so wie auch Picassos Malerei aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg nicht aufhört, zeitgenössisch zu sein“ (L. Tyrmand „An den Ufern des Jazz”).
Die Jazz-Standards singe ich schon seit meinem Debüt. Sie haben immer noch einen besonderen Platz in meinem Repertoire. So geht es mir auch mit den großen polnischen Evergreens. Leopold Tyrmand war einst eine Brücke zwischen dem, was polnisch und dem, was amerikanisch ist... Der Abend in Szczecin wird auch zu einer musikalischen Brücke zwischen diesen Welten. Mit mir auf der Bühne werden Sie großartige Musiker hören, die ich alle bewundere. Ich lade Sie herzlich ein.
Aga Zaryan